2025
Die Skrotal-Skoliose
Er war unglücklich.
Seine Frau hatte bei einem nachmittäglichen Beischlaf bemerkt, dass er, so ihre Worte, eine „wahnsinnige“ Verbiegung in seiner „Sacknaht“ habe. Sie liebe ihn sehr, aber das irritiere sie doch in höchstem Maße und verhindere jegliches Vergnügen am Zusammensein mit ihm.
Er hatte sich vor dem Spiegel kontrolliert und festgestellt, dass tatsächlich die Naht seines Hodensacks stark nach links gekrümmt war.
Sein Hausarzt beruhigte ihn: es handele sich um eine Skrotal-Skoliose, keineswegs zu vergleichen, mit der gefürchteten Skrotal-Hypertrophie, von der er vielleicht schon einmal gehört oder gelesen hätte. Bei dieser komme es durch übermäßigen Gebrauch zu einer starken Verdickung der Haut des Hodensacks, so dass man schließlich die durch diesen Prozess geschrumpften Hoden kaum noch tasten könne. Aber diese Sache hier - er zeigte auf den Hodensack des mit herabgezogener Hose auf der Untersuchungsliege ausgestreckten Mannes - das da sei nicht gefährlich; es belaste aber viele Ehepaare, besonders im Alter; beseitigen könne man das nur durch eine operative Korrektur durch einen Facharzt für Ästhetische Chirurgie; er kenne eine darauf spezialisierte versierte Kollegin.
Es dauerte eine Weile, bis der Mann einen Termin bei ihr bekam. Sie untersuchte ihn gründlich, machte Fotos mit einer Sofortbild-Kamera und eine kleine Zeichnung in seine Patientenakte. Dann besprach sie die Therapiemöglichkeiten mit ihm.
Eine Botox-Injektion könne zwar die Falten der Skrotalhaut glätten, aber die Skoliose nicht korrigieren, ebensowenig die Unterspritzung mit Hyaluronsäure. Eine Straffung der verbogenen Skrotalnaht könne man nur mit dem Messer erreichen. Dadurch werde die hässliche Verwachsung zumindest für einige Jahre zuverlässig und ästhetisch befriedigend beseitigt. Darüber hinaus könne die Korrektur bei Bedarf jederzeit wiederholt werden.
Die Operation würde ambulant durchgeführt, sie sei völlig ungefährlich und müsse privat bezahlt werden; die Kosten blieben in seinem Falle aber relativ gering, da die Veränderung in seinem Fall noch nicht weit fortgeschritten sei; so um die dreitausend plus minus. Wenn er es geschickt anstelle bekäme er vielleicht einen Zuschuss von der Krankenkasse.
Er sagte, er wolle das mit seiner Frau überlegen und würde sich Für einen OP – Termin gegebenenfalls melden.
Nach einigen Diskussionen im häuslichen Bereich einigte man sich darauf, den geplanten Urlaub im Sauerland zu streichen und dafür die Operation zu bezahlen.
Als er auf dem Tisch lag, war er sehr nervös. Als die Assistentin mit der Spritze des Betäubungsmittels kam - die Nadel schien ihm unendlich lang - war es mit seiner mühsamen Beherrschung vorbei gewesen. Die Chirurgin hingegen wirkte völlig entspannt und versuchte, ihn mit kumpelhaften Worten zu beruhigen.
„Sie werden sehen, in einer halben Stunde steht die Naht wieder wie eine Eins. Der hier,“ sie schnippte seinen Schniedel, der im Operationsfeld lag, mit Daumen und Zeigefinger beiseite, „der hier in nächster Zeit Zwangsurlaub.“
Alles war komplikationslos verlaufen. Bei der Abschlussuntersuchung betonte die Ärztin mit erhobenen Zeigefinger und schelmisch lächelnd noch einmal, dass in nächster Zeit Erektionen zu vermeiden seien, die Narbe sei noch nicht reißfest. Aber nach zwei Wochen könne er sein gewohntes Eheleben wieder aufnehmen.
Er sagte, das sei momentan kein Problem, da seine Frau gerade erst vom Heilfasten zurückgekehrt sei. Danach habe sie keine Bedürfnisse in dieser Hinsicht, das sei bisher immer so gewesen.
Beim Stichwort „Heilfasten“ horchte die Chirurgin auf und erkundigte sich nach der Klinik, in der seine Frau die Kur gemacht habe; ihr selbst würde, das habe er sicher schon bemerkt, eine Verschlankung und Straffung des Körpers sicherlich gut tun.
Er dachte bei sich, dass sie völlig recht habe, und schätzte die Dauer einer Fastenkur für sie auf mindestens drei Monate; wahrscheinlich könne sie aber ihre Praxis gar nicht so lange geschlossen halten.
Er sagte aber, er teile diese ihre Einschätzung ganz und gar nicht; er persönlich möge Frauen, an denen „was dran“ sei.
Sie verabschiedeten sich freundschaftlich.
Auf dem Heimweg überlegte er, ob er nicht für seine Frau auch einmal einen Termin vereinbaren sollte. Unten herum war sie schließlich auch nicht mehr so prall wie früher.
18.4.2025
Mein Beileid
Mir scheint, dass manche Frauen Beerdigungen geradezu genießen.
Eine Nachbarin z.B. wartet jeden Mittwoch gespannt auf die lokale Wochenzeitung, wo sie als erstes die Todesanzeigen aufschlägt. Findet sie einen bekannten Namen, folgt eine ausführliche genealogische Analyse des oder der Verstorbenen: Wie war der Geburtsname der Frau? Aus welcher Familie stammt der Mann? Welche verwandtschaftlichen Beziehungen gibt es zu anderen Leuten, die sie kennt?
Und natürlich findet sie immer eine Trauerfeier, die sie auf keinen Fall versäumen darf.
Ihr Mann dagegen hat eine Abneigung gegen Beerdigungen. Er mag das Brimborium nicht, das Getue, die Heuchelei, die scheinbare Versöhnung jahrzehntelang Zerstrittener für diese eine Stunde. Am stärksten aber war ein Argument, dass er in spöttischen Ton vorbrachte: wie viele hätten auf dem Friedhof nicht nur einen Leichnam auf dem letzten Weg begleitet, sondern sich bei der Gelegenheit den eigenen Tod abgeholt! Er brachte Beispiele und schloss mit den Worten:
„Wäre der Blödmann („Die dumme Kuh“) zu Hause geblieben, dann würden sie heute noch leben!“.
Manchmal lässt es sich aber nicht vermeiden, dass er sich auf dem Friedhof einfinden muss, etwa wenn es sich um Verwandte oder enge Freunde handelt. Seine Laune ist dann auf dem Tiefpunkt, während seine Frau regelrecht aufblüht, wenn sie mit untergehaktem Arm an seiner Seite von der Friedhofskapelle zum Grab gehen.
In allen anderen Fällen schlägt er ihre Bitten, - eher: Aufforderungen -, er müsse sie unbedingt gerade bei der Beisetzung dieser Person begleiten, aber rundweg ab.
Sie erscheint dann allein auf der Trauerbühne in der Friedhofshalle, dem Anlass, dem sozialen Stand der verstorbenen Person und der Jahreszeit entsprechend geschminkt, immer in geschmackvoll ausgewählter schwarzer Kleidung. Im Sommer trägt sie ein elegantes Kostüm, figurbetont, denn sie hat sich für ihr Alter recht gut gehalten, wie sie glaubt, auf dem Kopf einen breitrandigen, geflochtenen Strohhut mit einem Schleier aus durchbrochenem schwarzen Tüll; im Winter kommt sie in einen Persianer gehüllt, mit passender Mütze auf dem Kopf.
In der Friedhofshalle bezieht sie in der Nähe des Ausgangs Position. Von dort hat sie gute Sicht auf alle und die Gewissheit, selbst von allen gut gesehen zu werden.
Nicht zuletzt erleichtert dieser Platz auch die Beantwortung quälender Fragen: Wer ist dieser Mann, diese Frau? Wie sind die verwandtschaftlichen oder gesellschaftlichen Verhältnisse zum Verstorbenen? Wem schließe ich mich auf dem Weg von der Friedhofshalle zum Grab an?
Zurück in ihrem Haus plagt sie ihren Mann mit einem fast wörtlich wiederholten Bericht über Dauer, Inhalt und Tonfall der von einem kirchlichen oder freien Prediger gesprochenen Worte, der dargebotenen Musik, der Lieder. Es folgt eine minutiöse Liste der Anwesenden, eine detaillierte Beschreibung des Erscheinungsbildes einzelner Trauergäste, eine kritische Bewertung des Verhaltens der Angehörigen (Stärke und Dauer des Tränenflusses der Hinterbliebenen bei der Absenkung des Sarges, Gesichtsausdruck der Angehörigen - versteinert oder eher entspannt, abweisend oder freundlich). Den Abschluss bilden Neuigkeiten aus der Stadt, die sie im Gespräch mit den anderen Trauergästen, auf dem Weg zum Grab oder beim Beerdigungskaffee, erfahren hat.
Wenn sie zur Bemerkung kommt, es sei jedenfalls einmal eine schöne Abwechslung in ihrem Alltagsleben gewesen, atmet ihr Mann tief durch und greift nach dem Magazin über Geld- und Kapitalanlagen, das er vor einer guten halben Stunde auf den Tisch gelegt hat. Wenn er aber glaubt, er könne seine Lektüre wieder aufnehmen, irrt er sich gewaltig. Denn seine Frau teilt ihm jetzt nicht selten mit, in der nächsten Woche müsse sie wieder zu einer, manchmal auch zwei Beerdigungen. Es folgt ein Bericht über das Alter, die Todesursache und -umstände, die Verwandtschaften, den Beruf und Einzelheiten aus dem Leben der dann beizusetzenden Person: Zahl der Kinder, Scheidungen, Vermögen, berufliche Erfolge und Misserfolge etc.
Inzwischen ist es Zeit für das Abendessen, und dann sehen sich die beiden auf ihren ausdrücklichen Wunsch die nächsten zwei Folgen einer rosaroten romantischen Serie aus England an.
Er mag seine Frau, aber Beerdigungen mag er nicht.
Ich habe Verständnis für ihn.
Mein Beileid, Herr Nachbar.
11.2.2025
2024
Der No-Boellpreis
Jeder kennt den Nobelpreis, der jedes Jahr für hervorragende Leistungen in Naturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Literatur verliehen wird.
Weitgehend unbekannt ist dagegen der No-Boellpreis, den ein Privatmann im Jahr 2024 erstmals für besonders miserable Leistungen auf dem Gebiet der Politik, der Journalistik und der Kultur ausgelobt hat.
Bis Ende 2024 können bis zu drei Vorschläge für diesen Preis unter https://fboell8.wixsite.com/autopsie
eingereicht werden.
Der Preisträger wird vom Preisstifter nach Beratung mit einem Komitee von Fachleuten aus den genannten Personen bestimmt.
Die Bekanntgabe des Gewinners erfolgt am 23. Februar 2025 unter der genannten Adresse.
Ein Preisgeld ist nicht vorgesehen.
25. 11.
Schlitze
Ich verstehe nicht, warum man mit den extremistischen Parteien, zu denen ich auch die Grünen zähle, irgendwelche juristischen Akrobatenstücke machen sollte.
Die AfD z.B. gilt ja derzeit in Teilen bereits als gesichert rechtsextrem und ist damit angeblich ein Brandstifter an unserer Demokratie.
Aber auch die Grünen sind meiner Meinung nach Extremisten, aber im Gegensatz zur AfD gleichzeitig rechtsextrem und linksextrem. Im Gegensatz zur AfD arbeiten sie aber nicht mit dem Feuer, sondern legen dieAxt an die Wurzeln unserer Gesellschaft.
Soweit so schlecht!
Es stellt sich aber die Frage, wie können wir, das gemeine Volk, im täglichen Leben, auf der Straße, die Brandstifter und die Berserker mit der Streitaxt erkennen? Das wäre im Sinne unseres Selbstschutzes doch dringend geboten!
Hier hilft vielleicht eine bereits im Mittelalter bewährte Methode: damals hat man Dieben und Brandstiftern einen Schlitz ins Ohr gekerbt.
Zur Unterscheidung von anderen „Schlitzohren“, die sich, nach außen hin unkenntlich, zu Hauf´ auf der politischen Bühne tummeln, könnte man den Schlitz bei AfD-Leuten in das rechte Ohr schneiden, bei den Grünen in das linke Ohr. Das würde uns allen die sofortige Zuordnung eines Menschen erleichtern, der sich, z.B im Bundestag oder auf Wahlkampfveranstaltungen, äußert. (Fehlt allerdings, aus welchen Gründen auch immer, ein Ohr, und das andere ist intakt, dann gibt es eine gewisse Unsicherheit. Aber dieser Fall dürfte eher selten sein.)
Es bleibt dann nur noch die Frauenfrage zu lösen. Bei ihnen sind ja die Ohren häufig durch Kopftücher oder durch die Frisur verdeckt.
Dazu schlage ich folgendes Verfahren vor, das sich an einen Song anlehnt, der in meiner Jugend eine gewisse Popularität hatte. Der ging in etwa so:
„Ich mache mir ´nen Schlitz ins Kleid,
da werd´n die Herren grinsen,
und dabei geht die Sittsamkeit,
natürlich in die Binsen“.
Analog zu den Männern würden also weibliche Grüne einen Schlitz links, weibliche AfD – Mitglieder einen Schlitz rechts in die Bekleidung, ganz gleich ob Rock, Kleid oder Hose, bekommen. (Die Zuordnung zu Mann und Frau würde dabei, falls möglich, ausschließlich aufgrund primärer biologischer Ausprägung erfolgen.)
Das wäre im Sinne des Selbstschutzes der Bevölkerung meines Erachtens eine praktikable Methode. Freilich wäre es ein Eingriff in die körperliche Integrität der Betroffenen, aber wie man über so etwas hinweg geht haben wir ja bereits vor einigen Jahren in der Corona-Epidemie praktiziert. Und im Gegensatz zur Impfflicht damals wäre diese Methode auch im Sinne des Fremdschutzes wirksam.
25.11.2024
Frequentieren
Nach dem Mittagessen sass ich mich mit meinem Oberarzt, einem älteren Herrn mit Spitzbart und dicker Brille, im Garten der Klinik.
Bei schönem Sommerwetter unterhielten wir uns über klinikinternen Tratsch, als er sich plötzlich zu mir wandte und fragte:
„Sagen Sie mal B., frequentieren Sie eigentlich Fräulein Dr. G. immer noch?“
„Frequentieren ist übertrieben, Herr Oberarzt. Wir treffen uns einmal pro Woche zum Abendessen bei ihr, und wenn wir mit allem fertig sind, gehe ich nach Hause.“
Darauf er:
„Dann passen Sie mal auf, dass aus der Woche nicht Wochen werden und aus dem Fräulein nicht eine Wöchnerin“.
22.10.2024
Distanz
Distanz zu halten ist wichtig, Distanz zu anderen Menschen, vor allem aber auch sich selbst gegenüber.
Es gibt verschiedene Arten von Distanz, von denen denen die wichtigsten sind:
die freundliche, die respektvolle und die abwehrbereite Distanz.
Freundliche Distanz hält man gegenüber dem Ehepartner, seinen Kindern, seinen Freunden. Diese Distanz lässt dem Gegenüber Platz zur eigenen Entfaltung.
Respektvolle Distanz ist bei der Begegnung mit anderen Menschen grundsätzlich angebracht. Sie ist Ausdruck der Achtung und Beachtung, die man dem anderen entgegenbringt, die Anerkennung des Gegenüber als gleichwertigen Menschen.
Abwehrbereite Distanz nimmt man in Situationen ein, in denen man es mit Menschen zu tun hat, deren Validität man noch nicht einschätzen kann, oder die man aus irgendeinem Grunde nicht mag.
Der Abstand vom anderen ist bei der respektvollen Distanz je nach Kulturkreis unterschiedlich.
Bei Asiaten ist er im allgemeinen Fremden gegenüber kürzer als bei Amerikanern und Europäern. Das hat möglicherweise mit der Sozialisierung und Grundsicht auf den Menschen zu tun: in den westlichen Ländern ist man im Kern individualistisch geprägt, während man sich in Asien der Regel als Teil einer Gruppe sieht. (Diese Aussage ist als Pauschalisierung kritikwürdig, möge aber aber in diesem Zusammenhang als Orientierung gestattet sein.)
Am Anfang wurde gesagt, dass Distanz nicht nur nach außen, oder sondern auch gegen sich selbst wichtig ist. Diskussionswürdig ist dabei, ob die strenge Unterscheidung in die freundliche, respektvolle und abwehrbereite Variante hier auch gilt.
16.11.
22.10.
Den Oblomov machen
Er war früh erwacht, stand aber nicht gleich auf. Die Welt draußen schlief noch, alles war ruhig und im Bett war es wohlig warm.
Was machte er?
Er sann darüber nach, welche Sehnsüchte er im Leben gehabt hatte, welche glücklichen Momente, auch alte Lieben kamen ihm in den Sinn.
Er dachte: jede Sehnsucht hat ihre Zeit; und jede Sehnsucht verschwindet irgendwann. Nur die älteste aller Sehnsüchte bleibt, die Sehnsucht nach Liebe.
Dann die Frage:
Wonach sehne ich mich jetzt?
Seelenfrieden; am Ende dieses Tages gesund ins Bett zu gehen, und mit dem Wissen, dass es meiner Frau und meinen Kindern gut geht. Mehr nicht.
Als er alles durchgesonnen hatte, beschloss er, heute den Oblomov zu machen, im Haus zu bleiben und nur die nötigsten Aufgaben zu erledigen.
Als die Katze an seiner Bettdecke kratzte stand er auf, fütterte sie und machte sich sein Frühstück, Lachs mit Spiegelei, Schwarzbrot und Tomaten wie jeden Tag ausser sonntags, setzte sich im Morgenmantel an seinen Schreibtisch und schrieb nieder, was hier steht.
Seine Frau schlief noch.
Der Tag fing gut an.
22.10.2024
Flüchtlinge 2045
(In einer Zweigstelle der zentralen Behörde für Migration und Flüchtlinge Indiens in Bombay).
„Was ist mit denen?“
„Die sind gestern mit dem Boot aus Pakistan gekommen. Haben bei der Landung „asylum“ gesagt. Wir haben sie zunächst im Auffanglager am Hafen untergebracht.“
„Fluchtgründe?“
„Politische Verfolgung und Bedrohung ihres Lebensstandards.“
„Identitätsnachweis?“
„Keine Pässe, aber unsere Gesichterkennung hat sie eindeutig als Frau Baerbock und Herrn Habeck aus Deutschland identifiziert. Angezogen waren sie wie die Moslems hier vor über 20 Jahren, die wir glücklicherweise inzwischen los sind: er in einer Kandura, wie man sie in Dubai trägt, sie in einem Tschador.“
„Politische Verfolgung? ... Bedrohung ihres Lebensstandards? Ist das plausibel?“
„Ja, da unten in Deutschland war allerhand los in den letzten Jahren. Aber die haben es ja auch masslos übertrieben.“
„Was ist eigentlich aus deren ehemaligem Bundeskanzler - wie hiess der denn noch? - geworden?“
„Keine Ahnung! Die haben einige verschlissen“.
„Ok. Wir können die beiden nur für Arbeiten der Parias brauchen. Sie als Hebamme, er im Schlachthof? Was meinst du?“
„Hört sich gut an!“
7.11.2024
10.8.
Flüsse
Man spricht vom Gedankenfluss und meint man damit den Strom von Eindrücken und Überlegungen im Kopf. Diesem sieht man als Beobachter zu, ohne weiter darüber nachzudenken.
Man vergisst dabei, dass die Gedanken auch wie Lava strömen können, mit ungeheurer Zerstörungskraft.
10.8.
Allwissend
Man sagt, Gott sei allwissend.
Ich stelle mir einen Menschen vor, der allwissend ist, d.h. alles weiß, was war und was kommen wird.
Der auch alles über alle Menschen weiß. Es wäre ein furchtbares Schicksal, und ich denke, dass sich dieser Mensch auf der Stelle umbringen würde.
Als Mensch ist er in dieser Situation übrigens in einer komfortableren Lage als Gott, der ja unsterblich ist und sich nicht umbringen kann.
Wer weiss, vielleicht bedauert er das manchmal sogar, der arme Gott.
5.8.
Gott, der Teufel und der Mensch
Man sollte sich gut überlegen, ob man einen Pakt mit dem Teufel oder Gott schließt. Gott verspricht mir ein Leben nach dem Tode, wenn ich in der Welt nach seinem Gebot lebe, der Teufel ermöglicht mir ein gutes Leben in dieser Welt, wie immer ich es will.
Die Schwierigkeit ist, dass man seinen Vertragspartner nicht eindeutig erkennen kann, denn beide sind sich verdammt ähnlich, und beide lieben die Camouflage. Nur eins ist sicher: beide sind abgefeimte Ganoven, denen es nicht um die Menschen geht, sondern nur um sich selbst.
Im Verhältnis zu Gott muss man sich bewusst sein, dass es in dieser Welt nicht um Gott geht, sondern um den Menschen. Gegenüber dem Teufel muss klar sein, dass der Mensch in dieser Welt eine Verantwortung für sich und seine Mitmenschen hat. Um seine Seele sollen sich die beiden nach dem Tod dann ruhig streiten.
Für den Menschen gibt es aber zwei Zauberworte, mit denen er Gott und dem Teufel Paroli bieten kann: Ja und Nein.
Diese muss er jedoch vor allem sich selbst gegenüber anwenden.
12.6.
Sokrates und der Athener
Ein aufgebrachter Athener trifft an einer Straßenecke den Sokrates, der wie üblich dort steht und dem Treiben der Leute zuschaut.
„Gegen die Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens!“ ruft er beim Näherkommen.
„Ein wahres Wort", antwortet der, „aber warte doch einen Augenblick mein Freund, ich möchte dir eine Frage stellen“.
Der Bürger bleibt stehen und sagt:
„Ich habe wenig Zeit.“
„Sag mir doch, wer die Menschen geschaffen hat?“
„Dumme Frage, die Götter natürlich!“
„So haben sie auch dich und mich geschaffen?"
„Sicher!“
„Und auch die Dummen?“
„Blöde Frage! Komm endlich zum Schluss!“
„Du weisst wie ich, dass die Götter nichts ohne Grund tun. Wenn sie die Dummen geschaffen haben, müssen sie also einen Grund dafür gehabt haben.“
Der Athener verärgert:
„Du gehst mir auf die Nerven! Ich muss weiter. Χαίρε!“.
Sokrates ruft ihm nach:
„Wenn die Götter die Dummen in voller Absicht geschaffen haben, weshalb sollten sie dann gegen sie kämpfen?“ - „Dummkopf!“
Sokrates, zu sich selbst: „Gegen Dummheit kämpfen nur die Menschen vergebens“, und mit einem Lächeln„selbst ein Sokrates!“.
31.5.
Frühgeburt und Spätgeburt
Bei der Entwicklung des Individuums ist es von Nachteil, wenn es „vor der Zeit“ auf die Welt kommt, als Frühgeburt, oder als Spätgeburt nach der Zeit.
Die „Frühchen“, wie erstere gern genannt werden, haben oft Atem- oder Herzprobleme, ihr Immunsystem und die Temperaturregulation sind noch nicht voll funktionstüchtig, eine unausgereifte Leber kann zu Gelbsucht führen.
Bei der Übertragung, einer Geburt, die länger als zwei Wochen nach dem errechneten Termin stattfindet, können mangelhafte Blutversorgung durch eine Rückbildung des Mutterkuchens, ein zu großes Geburtsgewicht oder das Einatmen von in das Fruchtwasser ausgeschiedenem Kot während der Geburt gefährlich werden. Diese Kinder sehen oft „alt“ aus, ihre Haut ist runzlig und trocken. In beiden Fällen ist auch das Risiko für die Mutter erhöht.
Was für die Entwicklung des Individuums gilt, trifft auch auf die Zeit, die Epoche, zu, in die ein Mensch geboren wird.
Wird er zu früh geboren, findet er sich in einer Zeit, die für seine Fähigkeiten noch nicht reif ist, wird er zu spät geboren, in einer Zeit, die seine Fähigkeiten nicht mehr braucht.
Erstere haben, wie die „Frühchen“, - im übertragenen Sinn - Atem- und Herzprobleme, und Unverträglichkeiten sind unausweichlich. Die Zeit passt nicht für sie, ihre Begabungen werden bestenfalls nicht bemerkt, häufig sogar bekämpft.
Für die Zeitgenossen sind sie Spinner, schlimmstenfalls Hexen oder Zauberer, denen man das Kreuz der wahren Zeitgeistes entgegenhalten muss. Sie werden dann von den Gralshütern der gerade gültigen Lehre - sie ist immer die „wahre“ Lehre -, angeklagt, man unterzieht sie einem Prozess, an dessen Beginn eine körperlichen Untersuchung steht.
Und wehe, man findet dabei ein „Hexenmal“ oder eine sonstige „eindeutige“ Veränderung, etwa eine überzählige Brustwarze oder ein Feuermal an der Lende: der Scheiterhaufen ist ihnen gewiss, es sei denn sie bestehen eine Probe, wie die Feuer- oder Wasserprobe, die niemand überleben kann.
Andererseits sind die zu spät Geborenen schon bei ihrer Geburt alt und leiden an mangelnder Blutversorgung durch einen fortgeschrittenen Zeitgeist. Ihre zu einer früheren Zeit überaus nützlichen Fähigkeiten finden keine Abnehmer mehr, ihre Begabung ist jetzt nur noch ein Ladenhüter. Einige Jahre vor ihnen hat an anderer Stelle ein anderer bereits das geleistet, was sie selbst - zu spät und ohne davon zu wissen - in mühevoller Arbeit geschaffen haben, aber der Ruhm gehört für immer dem früher Geborenen, dem Igel, der schon da war, als der Hase erschöpft zum Ziel kam.Für wohlwollende Zeitgenossen ist er nur ein „kleiner“ Meister, für andere ein Imitator, ja Plagiator, ein Trittbrettfahrer auf einem Zug, zu dessen Führer er in früherer Zeit prädestiniert gewesen wäre.
Die Geburt in der falschen Zeit ist für die Betroffenen ein schlimmes Schicksal, für das es, anders als beim Neugeborenen, keine Hilfe gibt.
28.5.
Risus mortis
Heute am frühen Morgen hatte ich ein Traumgesicht.
Mir erschien das Antlitz eines offensichtlich erst gerade gestorbenen Mannes. Sein Gesicht sah aus, wie die in schwarz und weiss gehaltene Porzellanmaske eines venezianischen Maskenballs: über dem weissen Gesicht wie eine Haube das schwarze Haar, die Augen geschlossen, der Mund ein dunkles Loch, die Unterlippe wie zu einem Lächeln nach unten gebogen, kurz das friedliche Bild eines Schlafenden.
Im Traum glaubte ich, dieses scheinbare Lächeln kurz nach dem Tod werde von den Medizinern als „risus mortis“ bezeichnet, als „Todeslächeln“, das durch eine Erschlaffung der Gesichtsmuskulatur entsteht, bevor die Totenstarre eintritt.
Das Bild kehrte immer wieder, und ich wurde unsicher, ob meine Interpretation des „risus mortis“ als das „Todeslächeln“ eines Verstorbenen richtig sei.
Der lateinische Ausdruck gestattete noch eine andere Möglichkeit der Übersetzung, nämlich als „Das Lachen, das Gelächter, des Todes“, und mein Traumbild wäre somit die metaphorische Darstellung eines personifizierten, lachenden Todes selbst.
Die Deutung des „risus mortis“ als medizinischer Fachbegriff war falsch, wie ich nach dem Aufstehen feststellte, es gibt ihn in der Medizin nicht. Es handelt sich vielmehr um eine Verschränkung der Bezeichnungen „rigor mortis “ (Totenstarre) und „risus sardonicus“ (Sardonisches Lachen, eine Verkrampfung der Gesichtsmuskulatur, wie sie beim Wundstarrkrampf auftritt).
Angestoßen wurde dieser Traum wahrscheinlich durch die Serie „Brokenwood – Mord in Neuseeland“, in der eine russische Pathologin eine wichtige Rolle spielt. Ich hatte am Abend mit meiner Frau eine Folge angeschaut.
27.5.
Leben im Augenblick
In „Ratgebern“ - die Autoren bezeichnen sich selbst gern als „Lebensphilosophen“ – liest man nicht selten, der Schlüssel für ein glückliches Leben sei das „Leben im Augenblick“.
Das ist ausgemachter Blödsinn.
Warum?
Es gibt „Den Augenblick“ nicht!
Wer sich ein wenig in der Physik auskennt, weiß, dass die Zeit ein Pfeil ist, der von der Vergangenheit in die Zukunft führt. Was wir als „Augenblick“ empfinden und so bezeichnen ist somit eine Art Quantenzustand, eine Überlagerung von Vergangenheit und Zukunft.
Die Zukunft existiert noch nicht, und was wir als Augenblick empfinden ist eigentlich die unmittelbare Vergangenheit.
Das muss man sich klarmachen.
Und auch, dass nicht jeder ein Philosoph ist, der sich so bezeichnet.
17.1.
Das Wasser
ist nicht nur der heilige Geist der Elemente, sondern die Dreifaltigkeit selbst. Kein anderer Stoff hat eine vergleichbare Macht zu nähren und zu zerstören.
Flüssig ist es die Basis allen Lebens, als Wasserdampf die Wolke, die das Klima schützt, als Eis ein Ausgleichsgewicht für die Schwankungen der Temperatur.
Das Wasser ist das mächtigste der vier irdischen Elemente. (Dem kosmischen Feuer widersteht nichts!).
Im Kampf mit der Erde siegt es, weil es über kurz oder lang Erde, in welcher Form auch immer, auflöst. (Die Elemente der Erde können nur agieren, wenn sie im Wasser gelöst sind. Was nicht löslich ist, ist zu ewiger Passivität verdammt.)
In der Auseinandersetzung mit dem Feuer ist das Wasser besonders klug, denn es entzieht den Flammen die Kraft und verdampft, wodurch diese Flammen langsam erlöschen.
Die Luft ist sein leichtester Gegner. Ihr entzieht es nach Belieben die Gase durch Lösung und kontrolliert gleichzeitig über das Wachstum der Pflanzen den Nachschub.
2023
19.10.2023
Ein hoffnungsloser Fall
Er saß am Frühstückstisch und las den Lokalteil seiner Zeitung. Auf der ersten Seite berichtete ein Volontär folgendermaßen über ein philosophisches Symposion der Volkshochschule:
„Der Leiter der VHS nannte nach der Begrüßung der Gäste die zu diskutierenden Thesen:
- Das Sein isst.
- Gott isst.
- Gott isst das Sein.“
Er legte die Zeitung beiseite und sagte: „Ich esse jetzt erst mal mein Spiegelei mit Speck.“
Nach dem Frühstück nahm er das Blatt erneut und las die lokalen Sportnachrichten. Im Zentrum stand der Bericht eines Volontärs über ein Bungee-Springen von der Rheinbrücke in W.
Eine Teilnehmerin habe auf die Frage, wie es sich angefühlt habe, geantwortet:
„Der freie Phall brachte mir unaussprechliche Lustgefühle!“
Er nahm sein Tablet, lud die Webseite der Zeitung und kündigte sein Abonnement. Vor der Bestätigung der Kündigung wurde er nach den Gründen für die Kündigung gefragt. Man bat um eine kurze Erläuterung.
Er schrieb:
„Ihr Phall isst hoffnungslos.“
29.5.2023
Meine Frau singt
Sie sagte mir heute Nachmittag, dass für den Auftritt ihres Chors schwarz-weiß als Kleidung angesagt sei.
Ich: „Wie rum denn, oben weiß und unten schwarz, oder umgekehrt?
Sie: „Oben weiß und unten schwarz."
Ich: „Diese Kombination tragen alte Weiber. Umgekehrt fände ich es interessanter. Laufen denn die Männer auch oben weiß und unten schwarz auf?“
Sie (ärgerlich): „Ja, schwarze Hose, weißes Hemd, dunkles Jackett und dunkle Krawatte.“
Ich: „Ihr seht ja aus wie ein Chor von Elstern, und wahrscheinlich singt ihr auch so.“
Sie (stöhnend): „Bist du endlich fertig!?"
Sie dreht sich von mir weg, setzt sich auf und fischt ihren Schlüpfer vom Nachttisch. Dann geht sie ins Bad, um sich anzuziehen. Ich bleibe noch einen Moment im Bett.
2.5.
Geburtstage
Das Feiern von Geburtstagen, besonders sogenannten „runden“ Geburtstagen, ist ein weit verbreitetes Übel, das ich gründlich verabscheue, ganz abgesehen davon, dass es jenseits der 70 auch gefährlich ist. Wie oft hört oder liest man nicht, dass betagte Jubilare kurz vor oder kurz nach dem großen Fest verstorben sind!
Das schrecklichste an Geburtstagen sind die Geschenke. Sie sind meistens nichts als eine Zumutung oder eine Bürde für den Jubilar.
Hier einige Beispiele:- Wein, Schnaps, und Pralinen z.B. sind nicht nur ungesund. Sie decouvrieren unverstellt, was der Spender von dem zu Feiernden hält.
- Gern werden Reisen verschenkt (Ich habe eimal von einem arthrosekranken 80-jährigen gehört, dem eine Alpenüberquerung zu Fuß geschenkt wurde!)- Auch Essen in einem Edelrestaurant sind beliebt, oder ein Theaterbesuch, ein Konzert und ähnliches. (Gefragt wird der Beschenkte vorher nie, denn es soll ja eine besondere Überraschung werden!)
- Geldgeschenke, auch das Sammeln von Geld für einen bestimmten Zweck, bringen immer Probleme mit sich. Die schwierige Frage für den Geber dabei ist, wieviel schenke ich? Ist es zu wenig, dann wirkt es despektierlich, ist es unangemessen viel, wirkt es protzig.
(Übrigens hängt die Höhe des Betrages immer auch von dem Zweck ab, für den das Geld gesammelt wird, vor allem davon, ob man die Erfüllung des Wunsches billigt oder nicht. Angenommen, ich würde mir an meinem Geburtstag Geld für einen Abend in einem Spielcasino wünschen, oder - horribile dictu - , mir als rüstigem 70-jährigen Witwer eine Nacht mit einer Edelnutte gönnen wollen, wären die Beträge wahrscheinlich geringer, als wenn ich für einen Kururlaub im Hochgebirge oder eine Kreuzfahrt sammeln würde.)
Mit einem Geldgeschenk für einen bestimmten Zweck ist immer die Erwartung der Spender verbunden, die Einlösung vom Beschenkten mit Dank bestätigt zu bekommen. Eine kurze Mitteilung genügt da nicht, es muss schon ein Foto, oder die Präsentation einer eingelösten Eintrittskarte, eines Flugtickets, kurz, ein harter Beweis, sein.
Eine heimtückische Variante von Geld sind übrigens Gutscheine. Ihre Perfidie liegt darin, dass sie einen Zweck vorgeben, den der Sponsor als notwendig, nützlich oder erfreulich für den Beschenkten betrachtet. De facto zwingen sie damit aber dem Empfänger etwas auf, was er oft gar nicht will.
Bei jedem Geschenk, welcher Art auch immer, wird natürlich erwartet, dass der Beschenkte bei der Übergabe gute Miene zum Spiel macht, oft also zum Heuchler wird. Am glücklichsten sind die Schenkenden, wenn das „Geburtstagskind“ ausruft:„Welche Überraschung, das habe ich mir doch schon immer gewünscht!“
Personenkult, Hofhaltung und Paraden bei Geburtstagen, bei denen ich nolens-volens als Gast bin, liegen mir dementsprechend nicht. („Geburtstag hat jedes Ferkel“, hat mir mal eine alte Frau gesagt, als wir darauf zu sprechen kamen, wie man ihrer Jugend seinen Geburtstag feierte, um zu ergänzen: „Die Leute haben damals ihren Namenstag gefeiert, nicht den Geburtstag.“).
Soweit die offensichtlichen Gründe für meine Ablehnung von Geburtstagsfeiern. Der tiefere Grund ist mehr philosophischer Art.
- Lob und Anerkennung für das, was ich geleistet habe, nehme ich von Leuten, die ich schätze, gern entgegen. Das sollten diese aber bitte sofort äußern, da es mit der Zeit schnell an Wert verliert und am Jahrestag der Geburt oft nur noch bloßes Talmi ist.
- Der Tag, an dem man das Licht der Welt erblickt hat, ist kein persönliches Verdienst, sondern hat sich einfach zufällig so ergeben. Es ist somit eine „Leistung“ des Schicksals, nicht der Person, wenn sich dieser Tag in der willkürlichen Gliederung der Zeit durch den modernen Kalender wiederholt. - Die häufig bei dieser Gelegenheit gegenüber betagten Menschen ausgebrachten Hochrufe, etwa: „Auf die nächsten zehn Jahre!“ oder: „So, wie du aussiehst, wirst du sicher hundert Jahre alt!“, empfinde ich geradezu als blasphemisch.
Man soll nie das launische Schicksal provozieren, es könnte nicht nur den Adressaten, sondern auch den Ausrufer dieses Toastes selbst schon bald von seiner Macht überzeugen.- Man sollte sich, wie an jedem anderen Tag auch, an seinem Geburtstag bewusst sein, dass es nur ein Geschenk des Schicksals ist, wenn sich dieser Punkt wieder einmal jährt, und es, im Guten wie im Bösen, nicht ewig so weitergehen wird. Dennoch soll man jeden guten Tag genießen. Carpe diem!
Inschallah
bedeutet für mich:
„Was immer geschieht, Gott will es so“.
Was bedeutet das?
Ich gehe davon aus, dass dem Menschen, von wem oder was auch immer, - ich nenne es hier der Einfachheit halber „Gott“ -, eine Entscheidungsfreiheit über seine Handlungen und die Planung seines Lebens gegeben wurde. Was tatsächlich geschieht ist darüber hinaus von vielen Faktoren abhängig, die wir Zufall nennen. Diese sind umso schwerer zu berechnen, je weiter sie in der Zukunft liegen.
Wenn ich also sage: „Was geschieht, will Gott“ bedeutet das für mich,
dass, wenn Gott mir schon die Freiheit gab, zwischen verschiedenen Handlungen zu wählen, es Ausdruck seines Willens ist, dass ich diese Freiheit nutzen soll.
Was de facto geschieht ist im Zusammenspiel von menschlicher Planung und Zufall dementsprechend Gottes Wille.
Inschallah!
Zwei Unendlichkeiten stillen Glücks
»Die Vergangenheit ist immer schön, ebenso übrigens wie die Zukunft. Nur die Gegenwart schmerzt. Nur sie trägt man mit sich, wie einen schmerzhaften Abszess, den man zwischen zwei Unendlichkeiten stillen Glücks nicht los wird.«. (Aus: „Unterwerfung“ von M. Houellebecq).
Er hielt einen Augenblick inne, als er diese Sätze gelesen hatte. „Eine schöne Formulierung“, dachte er, „aber: das Leben ein ‚schmerzhafter Abszess‘? Vergangenheit und Zukunft ‚Unendlichkeiten stillen Glücks’?“
Seit langem hatte er sein eigenes Leben, d.h. die Gegenwart, als einen Haarriss im Gefüge der Zeit gesehen, von dem er nicht wusste, ob es ein Konstruktionsfehler oder einfach nur Materialermüdung war. Und vor allem: die Lücke zwischen Vergangenheit und Zukunft wurde doch erst unter dem Lackmus des menschliches Bewusstseins überhaupt erkennbar!
Für ihn würde es eine zukünftige ‚Unendlichkeit stillen Glücks‘ ganz sicher erst nach seinem Tode geben, und eine Unendlichkeit stillen Glücks in Vergangenheit hatte es nur selten gegeben.
Im Rückblick war sein Leben vielmehr ein Wechsel zwischen proteischem Glück und vexatorischen Schicksalsschlägen. Dabei hatten die Heilkräfte des Glücks in der Regel schnell nachgelassen, die Schicksalsschläge jedoch oft Narben in seine Seele gekerbt, die durchaus schmerzhafter sein konnten, als der ‚Abszess der Gegenwart‘.
2023
8.1.
Eine Dampfwalze
Die Zeit ist einer Dampfwalze vergleichbar, die den Teer deines Lebens in eine Straße presst, deren Ziel du nicht kennst.
Am Ende eines Tages scheint sie kaum vorangekommen zu sein, fällt dein Blick nach einigen Jahren aber zurück auf die asphaltierte Strecke hinter dir, dann wunderst du dich, wie weit du inzwischen gekommen bist.
Wenn der letzte Kübel Teer verbraucht ist, steht die Walze für dich, der im Führerhaus sitzt, still.
2022
16.9.2022
Mein Haustier
Ich habe neuerdings ein kleines schwarzes Loch als Haustier. Es ist ein idealer Mitbewohner: unsichtbar in seinem kleinen Magnetkäfig frisst es alles, kostet nichts, stinkt nicht, macht keinerlei Geräusch, braucht keinen Tierarzt.
Ich bekam es von der Witwe eines Freundes. Er war dabei, einen abgenagten Kotelettknochen durch das gesicherte Futterloch in den Ereignishorizont des Lochs zu schieben, als ein Kurzschluss den magnetischen Schutzschirm des Käfigs zusammenbrechen ließ. Sein Tod war schnell und schmerzlos.
Meine Versuche, seine Witwe zu überreden, den Käfig vom Stromnetz zu trennen und aufzubewahren, da es sich doch gewissermaßen um seine Urne handele, scheiterten. Sie argumentierte, in einer echten Urne sei etwas, nämlich die Asche des Verstorbenen, in diesem Käfig aber sei nichts und alles zugleich, und ihr Mann sei sowohl drin als auch nicht drin. Dieser Gedanke bringe sie um den Verstand.
Ich habe mein „Schwarzes Löchlein“ in der Küche aufgestellt und den Magnetkäfig durch eine Batterie gegen Stromausfall gesichert. Meine Fliegenklatsche brauche ich nicht mehr, seit ich es habe. Die dicken Brummer locke ich jetzt mit einem Tropfen Honig vor das Futterloch und bin immer wieder erstaunt, wie plötzlich sie verschwinden, sobald ich sie hineinscheuche.
28.6.2022
Gerechtigkeit und Solidarität
Gerechtigkeit und Solidarität
(im Vogelnest)
Gerecht ist nicht,
wenn die Vogelmutter dem ihrer Jungen, der am lautesten schreit, als erstem das Futter in den Hals steckt.
Solidarisch ist nicht,
wenn die anderen Vogeljungen dem Schreihals dann auch noch von ihrem Futter abgeben sollen.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist der Schreihals ein junger Kuckuck.
Gerechtigkeit und Solidarität
(Politisch korrekt)
Gerecht ist,
wenn die Staat dem, der am lautesten schreit, als erstem Futter gibt.
Solidarisch ist,
wenn die Bürger dem Schreihals auch noch von ihrem Futter abgeben müssen.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist der Schreihals ein grüner Minister.
2021
Im Casino de Berlin (Januar 2021)
„Madame Merkel, Sie verlassen den Tisch?“
Merkel:
„Keine Glückssträhne hält ewig. Ich habe hier sehr viel gewonnen.“ Und zu den übrigen Spielern am Tisch gewandt:
„Ich erst einmal an die Bar und schaue von dort aus zu. Falls einer der Herren und Damen einen Rat braucht stehe ich gern zur Verfügung“.
„Ich denke, dass manche der hier Anwesenden ihr Ausscheiden bedauern. Im Namen der Leitung des Casinos bedanke ich mich für Ihre langjährige Treue und wünsche Ihnen viel Glück für ihr weiteres Leben ohne Spiel“.
...
„Faites votre jeu, Messieurs Dames, ich bitte das Spiel zu machen.“
...
Ihr Einsatz Herr Söder?“
„Alles auf die (grüne) zero!“
„Herr Scholz?“
„Diese Stücke bitte auf Rot ... und ein Stück extra auf die zero“.
...
„Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass der Höchsteinsatz an diesem Tisch das Doppelte des BIP nicht überschreiten darf. Bitte nehmen Sie die fünf überzähligen 100-Milliarden-Stücke wieder vom Tisch.“
...
„Herr Meuthen?“
„Schwarz“.
„Herr Merz?“
„Alles auf die 21 bitte“.
„Frau Baerbock?“
„Ich muss mich noch mit Robert beraten.“
„Dann zuerst Herr Laschet?“
„Die Orphelins“.
„À Cheval oder en plein?“
„Was meinst Du, Jens (Spahn)?“
„À Cheval. Da verliere ich nicht so viel ... und es kommt auch meiner Veranlagung entgegen.“
„Die Orphelins à cheval von Herrn Laschet! Dann bekomme ich fünf Stücke“.
...
„Herr Spahn? Noch eine eigene Wette zusätzlich?“
„Zwei Stücke für mich auf die 25“.
„Herr Lindner?“
„Zwei Stücke auf Schwarz, ein Stück auf die zero“.
„Frau Kipping?“
„Die dritte Kolonne“....
„Frau Baerbock, haben Sie sich inzwischen entschieden?“
„Robert meint, wir sollten mit Rücksicht auf die Parteibasis die kleine Serie setzen und zusätzlich ein Stück auf die Zero“.
„Dann bekomme ich sieben Stücke“.
...
„Robert, könntest du mir bitte deine drei geben?“
„Auf dem Tisch liegen drei Stücke von Frau Baerbock und drei von Herrn Habeck. Es fehlt noch ein Stück für eine kleine Serie".
... ?? ... ?? ...
Möchten Sie lieber eine andere Wette platzieren, Frau Baerbock?“
„Olaf, könntest Du uns einen 100-Milliarden-Chip leihen? Wir würden uns im Gegenzug bei den Koalitionsverhandlungen entgegenkommend verhalten.“
...
„Die Einsätze sind gemacht! Nichts geht mehr!“
1.1.2021
20.2.2015
Die Frage der Atomisten, wie ich sie verstanden habe, ist nicht eine Frage naturwissenschaftlicher Art sondern eine PHILOSOPHISCHE Frage.
Die UNSICHTBARKEIT steht in diesem Falle stellvertretend für eine beliebige EIGENSCHAFT, nicht für ein ungelöstes physikalisches Phänomen.
Ersetzt man die Unsichtbarkeit durch eine andere Eigenschaft, zum Beispiel die Farbe Rot, wird die Frage vielleicht verständlicher:
Wie kann eine Eigenschaft, die das Grund-Element eines homogen nur aus diesen Elementen zusammengesetzten Objektes besitzt, im nur aus diesen zusammengesetzten Gesamtobjekt verschwinden?
Oder anders: wenn das Element die Eigenschaft “rot” besitzt: wie können 200 Millionen dieser Elemente, zusammengefügt, plötzlich nicht mehr rot sondern blau sein?
Abstrakt: Wie kann sich durch Quantität die Qualität ändern?
oder noch weiter:
Wie kann die Entropie, die nach dem 2.Hauptsatz der Thermodynamik zumindest im Durchschnitt immer größer wird, abnehmen?
Vermutlich wissen die Physiker auch darauf eine Antwort. Für die Jünger Demokrits war es aber sicher ein großes philosophisches Problem.
16.10.2009
Humanismus
Produkt der Aufklärung und des christlichen Abendlandes.
das Zeitalter der Aufklärung, einen gesellschaftshistorischen und geistesgeschichtlichen Prozess vor allem des 17. und 18. Jahrhunderts
Das Zeitalter der Aufklärung war eine Epoche der geistigen Entwicklung der westlichen Gesellschaft im 17. bis 18. Jahrhundert, die besonders durch das Bestreben geprägt war, das Denken mit den Mitteln der Vernunft von althergebrachten, starren und überholten Vorstellungen, Vorurteilen und Ideologien zu befreien und Akzeptanz für neu erlangtes Wissen zu schaffen.
Unter Aufklärung versteht man einen sowohl individuellen wie gesellschaftlichen geistigen Emanzipationsprozess. Dieser hinterfragt die allein auf dem Glauben an Autoritäten beruhenden Denkweisen kritisch. Es wird gefordert, sich „seines eigenen Verstandes zu bedienen“. Der aufgeklärte Mensch soll nicht mehr an die Vorgaben der Obrigkeiten oder Zwänge von Mode und Zeitgeist gebunden sein, sondern sein Leben und Denken selbst bestimmen.
Humanismus ist eine aus der abendländischen Philosophie hergeleitete Weltanschauung, die sich an den Interessen, den Werten und der Würde des einzelnen Menschen orientiert. Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit gelten als wichtige humanistische Prinzipien menschlichen Zusammenlebens. Die eigentlichen Fragen des Humanismus sind aber: „Was ist der Mensch? Was ist sein wahres Wesen? Wie kann der Mensch dem Menschen ein Mensch sein?“
Ja, wir sind das Produkt vieler Einflüsse und Lebensumstände. Die sind für jeden, der diese Welt betritt oder hineingestossen wird, immer wieder neu.
Man ist, wer man ist. Man ist, wo man ist. Du sollst werden der du bist (Nietzsche)
Tabu - stillschweigende Verbote
„Gemeinsame Tabus stabilisieren die Bezugssysteme von Menschen, insbesondere aufgrund ihrer gemeinschaftlich erfahrenen emotionalen Aufladung. Mitglieder, die einen Tabubruch wagen, sind daher in der Regel schweren Sanktionen bis hin zum Ausschluss aus der Gemeinschaft ausgesetzt. Andererseits entlasten diese gesellschaftlich ausgegrenzten Personen sozusagen "pars pro toto" die Gesamtgesellschaft, sie machen ihre "dunkle" Seite deutlich und stellen sich als ein von der Bezugsgruppe immer wieder gewolltes, ja notwendiges "Opfer" zur Verfügung: In ihren zugewiesenen Rollen als Märtyrer, als Außenseiter usw., der nun seinerseits tabuisiert wird: Das Opferlamm, das die Schuld der Menschheit trägt - ein nicht nur biblisches Menschheitsthema. Wenn allerdings der Zusammenhalt des Bezugssystems aus anderen Gründen gefährdet ist, werden wiederholte Tabubrüche die Gruppe nicht mehr stabilisieren, sondern die Übertretungen machen das Bezugssystem unglaubwürdig und beschleunigen seinen Niedergang. “
Eine Definition des Tabu-Begriffs gibt Sigmund Freud in seinem grundlegenden Werk Totem und Tabu, wenn er schreibt:
„Die Tabuverbote entbehren jeder Begründung, sie sind unbekannter Herkunft; für uns unverständlich, erscheinen sie jenen selbstverständlich, die unter ihrer Herrschaft leben.“
Nutzen der Literatur
Wer Balzac und Shapespeare gelesen hat, weiss alles über den Menschen, weiss , wie der Mensch ist.
2-2006
Gedanken zu Don Giovanni
Die Personen:
Don Giovanni wird als äußerst zügelloser junger Adeliger beschrieben.
Das kann nicht stimmen. Don Giovanni ist nicht jung, sondern steht auf der Höhe seines Lebens. (Wie könnte er sonst all die Frauen aus der Registerarie verführt haben?)
als adeliger ist er durch seinen Stand angesehen wie z. B. heutzutage Offiziere Politiker Spitzensportler, Filmstars und so weiter.
Dadurch hat er bei vielen Frauen leichteres Spiel.
Was bedeutet zügellos? Heißt es wild, unbeherrscht, unmoralisch?
Erster Akt, Erste Szene:
Leporello vor Donna Anna´s Haus.
Die entscheidende Frage ist: was spielte sich drinnen ab?
Don Giovanni ist offensichtlich ohne Schwierigkeit hinein gekommen, nicht zufällig, sondern geplant, vielleicht sogar angemeldet. Donna Anna muss ihn eingelassen haben,
vielleicht, weil sie ihn für den Don Ottavio, ihren Verlobten, hielt, vielleicht und eher wahrscheinlich aber, weil sie ein Abenteuer mit Don Giovanni suchte. Für die Verwechslung könnte sprechen, das Don Giovanni
im späteren Verlauf einmal berichtet dass er eine Verwechslung mit Leporello ausgenutzt hat (siehe Akt zwei, Szene 11)
ausgeschlossen scheint mir, das Don Giovanni gewaltsam eindrang und Donna Anna dann vergewaltigte. Don Giovanni ist ein begnadeter Verführer, der zwar mit List und allen Tricks der Verführungskunst arbeitet, aber nicht mit Gewalt. Man kann das später bei Zerlina und bei der Kammerzofe von Donna Elvira gut beobachten. Ich glaube nicht, dass Don Giovanni immer nur vergewaltigt, in der Oper selbst gibt es an keiner Stelle einen eindeutigen Hinweis auf eine Gewaltanwendung von Seiten Don Giovannis.
Donna Anna hat ihn also freiwillig eingelassen, wahrscheinlich weil sie ihn für und Don Ottavio hielt, vielleicht aber wusste sie, dass es Don Giovanni ist. Es ist dabei wahrscheinlich zu Intimitäten gekommen.
Merkwürdig ist doch, wie Donna Anna später immer wieder Ausflüchte findet, um eine Heirat mit Don Ottavio hinauszuschieben. Vielleicht wollte sie sicher sein, dass sie beim dem eins mit Don Giovanni nicht schwanger geworden ist. Hätte sie wirklich Don Giovanni für Don Ottavio halten können? Für sie, wie für jede andere Frau, wäre Don Giovanni sicher die bessere Wahl gewesen, ein starker, wilder Liebhaber, sehr erfahren. Erst als sie merkte, dass Don Giovanni auf und davon wollte, dass sie nicht halten konnte, kehrte sich ihre Liebe in Hass um, anders als bei Donna Elvira, die trotz allem zu Don Giovanni hielt.
Natürlich musste Donna Anna ein mordsmäßiges Theater veranstalten, um ihre Ehre zu verteidigen, als Opfer eines Eindringlings und Wüstlings dazustehen.
Ich jedenfalls traue Donna Anna nicht.
Mir war eine Zeit lang rätselhaft, warum Don Giovanni, als er vor Donna Anna flieht, versucht sein Gesicht zu verbergen. Der Grund liegt darin, dass Don Giovanni weiß, wie unangenehm es ist, erkannt zu werden. Das zeigt sich in einer der nächsten Szenen, als Donna Elvira auftritt und ihn erkennt.
Don Giovanni möchte nicht irgend ein bestimmter Mann sein, sondern der Mann schlechthin.
Ivan Nagel bemerkt richtig, dass Don Giovanni nicht alle Frauen haben möchte, sondern jede Frau.
Insofern ist Don Giovanni was die meisten Männer gern wären. Ich kann darin nichts Wüstes oder Lasterhaftes sehen.
Ortega y Gasset schreibt an einer Stelle:" Don Juan ist nicht der Mann, der die Frau liebt, sondern der Mann, den die Frauen lieben... Es ist eine Tatsache, dass es Männer gibt, in die sich die Frauen mit ungewöhnlicher Heftigkeit und Häufigkeit verlieben. "
Es wurde behauptet, dass Don Giovanni in Mozarts Oper nur Misserfolge bei den Frauen habe.
Das sehe ich ganz anders. Ich gehe davon aus dass er bei Donna Anna Erfolg hatte, später hat er zumindest Zerlina rumgekriegt, wenn er auch bei der Vollendung gestört wurde. Erfolgreich war er auch bei der Kammerzofe von Donna Elvira, und wie zu Beginn der Friedhofszene zu erfahren ist, auch bei einer Freundin von Leporello. Wenn ich Don Giovanni richtig einschätze, dann hat er sich nach seiner Störung bei Zerlina mit höchster Wahrscheinlichkeit ein anderes Dorfmädchen aufgerissen. Das wären wahrscheinlich fünf erfolgreiche Verführungen, und das ist so schon etwas.
Don Giovanni ist ein mediterraner Typus, das darf man nicht vergessen. Man sollte versuchen, ihn mit den Augen eines Mittelmeerbewohners zu sehen. In deren Mentalität gehören Sex und Gewalt viel enger zusammen als wir es gewohnt sind. Don Giovanni ist eben nicht wie Casanova, ein Charmeur, der die Frauen umgarnt, auf sanfte Art betört und überlistet. Er verkörpert vielmehr eine Urform männlichen Verhaltens, welche die Frau als Besitz betrachtet, den man notfalls mit Gewalt erobert, jedenfalls auch nicht kampflos abgibt, wenn ein anderer dient streitig macht.
Insofern erinnert mich Don Giovanni auch einen griechischen Göttervater Zeus. Auch dieser hatte zahllose Abenteuer, und liebte es, in fremder Gestalt zum Ziel zu kommen. Die Verwechslung, das Spiel mit getauschten Rollen, gehört zu Komödie. Am Anfang sehen wir Leporello, wie er sich über seinen mühevollen Dienst geklagt und sich wünscht, auch einmal der Herr zu sein. Im Laufe der Handlung ist er es, wenn er nämlich in den Kleidern von Don Giovanni sich an Donna Elvira heran macht, während Don Giovanni sich mit der Kammerzofe vergnügt. Da ist Leporello Don Giovanni, und man darf mit Recht vermuten, dass er im Laufe der vielen gemeinsamen Wanderjahre auch nicht zu kurz gekommen ist, was die Eroberung weiblicher Gunst angeht. Eine Komödie ist die Oper wenn man sie mit den Augen des Südens sieht viel eher als wenn wir sie aus heutiger mitteleuropäischer Zeit betrachteten. Mozart selbst hat die Oper in die Reihe seiner Buffa-Opern eingereiht.
Wir erleben Don Giovanni auf dem Höhepunkt seiner Kraft. Eine Steigerung ist nicht möglich. Das weiß Don Giovanni. Er ist ein Mann, der immer an die Grenzen geht. Die letzte Grenze ist der Tod. So fordert er den Tod heraus, man kann sagen, er sucht den Tod. Er ist sicher kein Feigling, der zittert nicht, er nimmt jede Herausforderung an. Er kennt den Tod -der anderen- , den er selbst hundertfach gebracht hat.
Es ist undenkbar, dass er im Laufe seines umher schweifen durch ganz Europa und die Türkei nicht häufig in Duelle verwickelt wurde. Offensichtlich hat er sie alle siegreich bestritten. Auch das Duell mit dem Ordensritter hat er nicht gesucht. Im Gegenteil, er wollte es vermeiden. Der war siegreich in einem ihm aufgezwungenen Kampf. Man ist nicht geneigt, das wie die anderen handelnden Figuren als Verbrechen zu sehen.
Don Giovanni geht an seine Grenzen und erinnert mich an einen Bergsteiger, der immer höhere Gipfel erklimmen möchte, bis er schließlich abstürzt. Er ist ein "conquistatore dell´inutile“, wie Walter Bonatti in seinem großartigen Buch „ Große Tage am Berg" die Alpinisten bezeichnet, ein Eroberer des Nutzlosen. Welchen Nutzen sollte es schon haben, eine Frau nach der anderen zu erobern?
30.4.2000
Letzte Worte
Der Gläubige kennt keine Fragen, der Ungläubige keine Antworten.
Jenseits von Glück und Leid hoffe ich auf die Verzeihung derer, denen ich Schmerzen bereitet habe, auf die Achtung derer, denen ich etwas geben konnte.
Seid nicht traurig:
Im Rhythmus der Ewigkeit ist die Harmonie unendlich.
21.6.1987 (Maria Laach)
Der König
(im Stil der Commedia dell’arte)
1
Der König saß auf seinem Thron.
Er sah Columbine beim Tanz zu.
Er langweilte sich.
Er rief den Narren und fragte:
„Wer ist der klügste Mensch ?“
Der Narr antwortete:
„Du jedenfalls nicht!“
Der König:
„Antworte, oder ich schlage dir den Buckel ein."
Der Narr liess sich Zeit, seufzte und sagte schließlich:
„Von den klügsten Menschen hast du sowieso noch nie gehört, Blödmann. Nun gut, höre also zu, wie die deine Frage beantwortet haben:
Gautama Buddha betrachtete die Kiefer als das klügste Wesen;
Sokrates sagte: ‚Ich weiß es nicht‘;
Voltaire meinte: ‚Natürlich mein Candide!’
Einstein: ‚Die Beobachtung wirkt auf das Beobachtete, das Denken auf das Gedachte. Klugheit ist immer relativ‘;
Wittgenstein: ‚Worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen!‘
Heraklit: ‚Auch der klügste Mensch schwimmt nicht zweimal im gleichen Fluss.‘“
Der König wurde ärgerlich und unterbrach den Narren:
„Ich will nicht wissen, was diese Leute alles gesagt haben, sondern wer der klügste Mensch ist.“
Der Narr antwortete:
„Columbine“, drehte ihm eine Nase und verzog sich schnell hinter den Thron.
2
Der König saß auf seinem Thron.
Der Narr stand neben ihm und spielte Jojo.
Den König quälte eine Vision. Er sah seine unmündigen Kinder hinter den Särgen ihrer Eltern.
Überwältigt von der Macht der Bilder jammerte er:
„Niemand schützt sie, niemand gibt ihnen selbstlosen Rat“.
Der Narr wurde zornig und schrie ihn an:
„Was jammerst du?“
Als er den Grund erfahren hatte lachte er und sagte:
„Beschwöre die Magie des Wortes und du wirst geheilt.“
Er machte mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand eine unmissverständliche Bewegung. Als der König ihm ein Goldstück gegeben hatte flüsterte er ihm etwas ins Ohr und der König verlor im selben Augenblick seine Furcht.
Er liess für seine beiden Söhne Herzen aus Gold schmieden und darauf gravieren:
In deiner Seele tiefsten Tiefe
- nur dir bekannt -
ist ein Meer unendlicher Ruhe.
Tauche hinab.
Sei geduldig.
Schweige.
3
Der König saß auf seinem Thron.
Er zwinkerte dem Narren zu und fragte:
„Wie ist das mit der Liebe, Narr?“
Der Narr zog eine Schnute und antwortete:
„Also, mit der Liebe ist es so:
Ich liebe Columbine,
Columbine liebt Pasqualino,
Pasqualino liebt mich.
So ist das mit der Liebe.“
„Dann seid ihr also alle unglücklich?“
„Ach wo, Dummkopf. Wir drei liegen oft in der Nacht zusammen in einem Bett und vergnügen uns.“
Der König schwieg.
„Sag das aber bitte nicht der Königin!“ brummte er schliesslich und aß ein Stück kaltes Huhn.
4
Der König saß auf seinem Thron.
Er sah Columbine beim Tanz zu.
„Narr!“, rief er, „erkläre mir die Welt mit einem Satz!“
„Nichts leichter als das“, brüllte der Narr zurück.
Er legte den linken Zeigefinger auf die rechte Handfläche.
„Das Etwas, und sei es auch noch so groß, ist im unendlichen Nichts ebenso nichts, wie das Nichts im unendlichen Etwas.“
„So, so“, grunzte der König und gähnte.
24.l l. 1986
Anfänge einer Autobiographie
„ ...und somit ist die Sprache ganz und gar ein ungeeignetes Instrument, unsere Erlebnisse zu verdeutlichen, genauso wie Philosophie und Physik sich vergeblich bemühen, den Zustand unserer Welt zu beschreiben.
Wie ich meine, gleicht unser Leben mehr einem Mosaik als einem Strom, und die Bilder, die wir sehen, sind sie nicht nach Art der Mosaiken aus kleinsten Punkten zusammengesetzt? Wie denn auch die Zeit selbst kein gleichmässiges Fließen ist, sondern ein Hüpfen und Springen. Unsere Gelehrten werden auch das irgendwann beweisen können.
Wenn ich also wie ein Seher in die Vergangenheit dringe werde ich gelegentlich das eine oder andere fehlende Teilchen mit Einfühlungsgabe und fast schöpferischem Talent ergänzen müssen. Nur wenn die Lücke zu groß ist soll dies Stück Erinnerung Fragment bleiben: Dichtung und Wirklichkeit sind eben nicht dasselbe wie Lüge und Wahrheit.“
„ ...habe ich mit zunehmendem Alter den Hang zum Kontinuum immer mehr verloren. Nachdem ich ausgelernt bin, und das Leben nur noch Genuss und Last ist, interessiert mich mehr die blitzartige Wendung, die überraschende Volte, weniger der lange Atem großer Zusammenhänge.
Also auch mein Bericht, den ich nicht mehr selbst schreiben kann: meine Methode wird sein, wahllos die Dinge, die sich hier in diesem Raum befinden,in Augenschein zu nehmen, und die damit verbundenen Erinnerungen zu einem kurzen Leben wiederzuerwecken. Sie haben sich freundlich bereit erklärt, Aufzeichnungen zu machen und in eine Form zu bringen, die als Dokument der Familiengeschichte das Nachlesen meines Lebens möglich macht.
Einem grösseren Publikum soll dieser Bericht auf keinen Fall zugänglich gemacht werden, und auch meinen Kindern erst nach meinem Tode.“
„...haben sich meine Gedanken schon lange mit diesem Vorhaben beschäftigt. Immer wieder sind Titel für eine Autobiographie gesucht worden, auch Sinnsprüche, die als Motto für die einzelnen Kapitel dienen könnten. Aber jetzt, in diesem Moment, wähle ich ohne Zögern die Zeilen des alten Issa:
Auf mir wird auch bald
Zum vollen Blühen kommen
Des Mooses Blüte.“
25.7.1983
Zum Verhältnis Bewusst - Unbewusst
Nach Jung verhalten sich Bewusstsein und Unterbewusstes kompensatorisch. Sie ergänzen einander (nämlich zum Selbst). Ich glaube das auch. Über die Ausdehnung des Unbewussten, seine Grenzen, kann man nichts sagen. Ein treffendes Bild für das Verhältnis bewusst - unbewusst finde ich im taoistischen Symbol für das Yin-Yang.
Ich glaube, dass die Ausdehnung des Unbewussten mit der gesamten Welt identisch ist, und dass die Größe des Bewusstseins dagegen unbedeutend ist. Das Gewicht, oder der Energiegehalt sind aber bei den beiden Spielarten des Selbst etwa gleich; dass riesig (oder auch winzig?) ausgedehnte Unbewusste wiegt gleich viel wie das in der Relation dazu natürlich nicht abzuschätzende Bewusstsein. Ich neige zur Ansicht, das Bewusstsein für dichter zu halten als das, was man nicht weiß. Es gibt eine Art von Diaspora oder Enklaven beider Formen in der jeweils anderen: das Unbewusste reicht bis ins Bewusstsein hinein, ein extraterritoriales
Depot seiner Substanz, und damit scheint der Beweis seiner Existenz nachweisbar. Diese Enklave ist das von den Mystikern geschaute "Kraftzentrum" im Hara, das verschieden benannt wurde (z. B. Fünklein, blaue Blume, Diamant) , das ich für mich als das OM bezeichne, das
tibetanische Ur-Mantra. Hier liegt die Verbindung von zum Unbewussten, dem in religiöser Terminologie das Nirwana analog ist, wenngleich nicht identisch! Die Psychologie ist in ihrer Betrachtungsweise durch ihren wissenschaftlichen Anspruch sehr eingeengt und viel zu einseitig, um einen wahren Begriff vom Unbewussten zu geben. Die intuitive Erfahrung ist ein besserer Weg zur Erkenntnis dieser Dinge als die Psychologie und die Meditation ein besserer Weg zu diesem Ziel als die Statistik.
Die Meditation taugt nur, wenn ihr eine irgendwie geartete religiöse Überzeugung zu Grunde liegt. Man muss glauben (vielleicht auch begnadet sein), um die Wahrheit zu schauen. Das taoistische Symbol zeigt auch im Gebiet des Unbewussten eine Enklave des Bewussten. Auch das ist OM. OM verbindet die beiden Seiten des Seins wie ein Ring, der um so mehr Substanz der einen Seite enthält je näher er der anderen Seite kommt.
28.6.1983
Zum Ich-Problem
Das Ich grenzt das seiner selbst bewusste Individuum gegen das All ab.
Es ist charakteristisch für den Menschen.
Auffassungen des Ich:
C.-G. Jung: Gesamt der bewussten Bestandteile der Psyche (dagegen das Selbst: Bewusst plus Unbewusst)
K.-F. von Weizsäcker: Organ der Psyche.
Wenn man das Ich als Organ auffasst, dann allenfalls etwa wie das Blut oder das Nervensystem.
Die Abgrenzung des Ich von der Welt ist wie eine Art Netz, nicht hermetisch wie bei einer Glaskugel. Das Wesen des Menschen ist somit nicht grundsätzlich von dem der Welt verschieden, sondern durch die "Lücken" im Netz mit allem verbunden. Das Problem bei der Meditation ist, die "Maschen" des Netzes so weit zu machen, dass die Abgrenzung nicht mehr bemerkt wird.
Möglicherweise ist die Schwierigkeit des Okzidentalen mit der Meditation kulturhistorisch bedingt: die Maschen des Netzes "Ich" sind durch einseitige Betonung des Bewusstseins so eng geworden, dass der Austausch mit den All dadurch behindert wird.
Zum Zeit-Problem
Der Buddhist fasst die Zeit als ewigen Zirkel auf; wir sind gewohnt, sie linear zu sehen. Wenn man die Dimension gross genug wählt ist das kein Gegensatz. (Die Krümmung der Erde bemerke ich auch nicht, wenn ich die Oberfläche eines Teiches betrachte). Das Zeitempfinden ist streng an das Bewusstsein gebunden und bekanntlich sehr relativ. Der Bewusstlose (Tote) hat keinen Zeitbegriff, man behilft sich mit dem Ausdruck Ewigkeit.
Null und Eins kann man nicht unterscheiden, wenn es nur diese beiden gibt (und man die Eins also nicht als Ausgangspunkt einer Zahlenreihe betrachtet, sondern als alles). Gibt es nur null und eins, dann gibt es nichts und alles. Diese beiden kann man nicht trennen. Deshalb erlebt der Buddhist im Satori alles als eins und empfindet dies gleichzeitig als Eingehen ins Nirwana (= die all-schöpferische Leere). Das Nirwana ist ein Zustand einer ungeformten Energie, ein schwarzes Energieloch sozusagen. Im Satori wandelt sich in einem Augenblick diese gesamte Energie in das Weltall um, und so erfährt der Erleuchtete die Einheit allen Seins. In der normalen Bewusstseinslage wird ein kleiner Teil der Nirwana-Energie in geformte Struktur umgewandelt, die uns gewohnte Welt der Erscheinungen. Die Zeit entsteht durch Oszillation der Erscheinungen, das heißt durch ständige, immer etwas andersartige Umwandlung von Energie in Formen, und umgekehrt. Im Grunde ist sie eine Täuschung.
Der Mensch stammt auch aus der Energie des Nirwana. Er hat aber nach buddhistischer Meinung durch die Anhäufung von guten Karma die Möglichkeit, der immer wieder eintretenden Strukturierung (=Wiedergeburt) zu entrinnen. Das bedeutet, dass die formbildende Potenz des Nirwana durch die erzeugten Formen beeinflussbar ist, somit nicht alles in einer sinnlosen Zufälligkeit abläuft. Das Ziel ist, durch Erreichen immer höherer Strukturdichte schließlich die gesamte Energie des Nirwana in sich zu konzentrieren und alle Form auf einmal in sich entstehen zu lassen.Das ist das Satori. Dieser Augenblick, in dem alle Energie zur Form geworden ist, wird nur von wenigen erlebt und dauert nur kurz. Denn die All-Form zerfällt, kollabiert, sofort wieder um reine Energie zu werden. Und möglicherweise bleibt dem erleuchteten Menschen ein winziger Rest dieser Energie, der nicht mehr in Struktur umgewandelt werden kann.
Für den Buddhisten und gibt es ein dynamisches Gleichgewicht zwischen "reiner" Energie und in Form verwandelter Energie. Er fragt nicht danach, wie es dazu kam. Buddha verspricht nur eine Beendigung des ewigen Leidens im Kreislauf der Wiedergeburten durch das Ein-und Aufgehen im Nirvana. Dies ist jedem Wissenden und Strebenden möglich.
Ist es wirklich so, dass nach dem Eingehen in das Nirvana keine Wiedergeburt mehr möglich ist?
1980
Gedanken von jenseits des Grabes
...
nachdem die geschichte nun zuende ist fühle ich mich wohler. die
schwere, die gravitation ist gewichen, die zuletzt unerträgliche
rhythmizität des lebens wurde von einer gleichförmigen dünne ab-
gelöst, die aber keineswegs mit leeere gleichgesetzt werden darf,
im gegenteil, dieses vakuum ist angefüllt mit hochgespannter energie, ein omnipotentes nichts, das jedoch keine forderungen stellt.
zahlen haben hier keinen sinn mehr, es gibt nur noch eins oder null je nachdem, wie man die sache betrachtet. nach menschlicher art gesehen, würde wohl ein gottgläubiger muselmane oder christ durch und durch davon überzeugt sein, die eins sei alles, während die gottesleugner die null als inbegriff des seins sehen würden. aber das ist hier bedeutungslos, da die geschichte, wie gesagt, zuende ist. das einzige verbindungsstück der ehemaligen und der neuen und alten welt könnte man als geist bezeichnen, eine art von ewigem bewußtsein, das einzige immer gültige gesetz. gäbe es diesen geist nicht, ich wäre in der lage, etwas von hier nach dort mitzuteilen, und ich könnte mir diesen bericht sparen.
die grösste schwierigkeit bei der abfassung war, mich in das system der dimensionen zurückzuversetzen, denn zeit und raum sind für mich jetzt ebenso schwer vorstellbar, wie es die ewigkeit war, als ich noch lebte. ich habe mir mit der vorstellung geholfen, es müsse sich um einen zustand handeln, wie er vor meiner geburt dort war. und doch liegt eine ungenauigkeit in dieser vorstellung, insofern als derjenige, der so denkt, das problem rein als eine frage des bewußtseins auffasst und nicht weiter über das wahre wesen der welt als ganzes nachdenkt. heute weiß ich natürlich, daß die zeit weder ein linearer prozess ist noch ein zyklisches geschehen, und begreife nicht, wie die menschen immer wieder darüber nachdenken konnten, da sie die frage mit ihren mitteln nicht lösen können. ein wirklich intelligenter mensch hätte doch schon aus der tatsache, dass es mehr als eine plausible theorie gibt, schliessen müssen, dass die frage nicht lösbar ist. natürlich kann man aber das niemand zum vorwurf machen, weil die menschen wegen ihrer körperlichkeit zwangsläufig der bipolarität ausgeliefert waren. und so war es ihnen trotz der dauernden anstrengung unmöglich, die wahre natur des seins zu erkennen.
für mich, der zwischen sein und nichtsein ist, war es nicht
leicht, sich eine welt der dimensionen wieder zu eigen zu machen.
ein weiteres hindernis war das leben. es wäre mir unmöglich gewesen, mir das leben vorzustellen, hätte ich nicht selbst gelebt. auch bei dieser frage hilft es nicht, sich auf den standpunkt des todes zu stellen, denn das leben ist ebenso tod, wie der tod leben ist. beide bergiffe stammen aus dem gefängnis der bipolarität. das eigentliche gewicht, man könnte auch sagen, die masse, bekommt das leben durch das bewußtsein, genauer durch die empfindungen, die damit verbunden sind. die schwıerıgkeıt, sıch ins leben zurückzuversetzen, ist in folge dessen gleichbedeutend mit der schwierigkeit, sich gefühle wieder anzueignen. dagegen hätte vielleicht ein mensch meines alters eine abneigung, für mich aber war es ein intellektuelles problem, ähnlich dem der dimensionen.
nun hatte ich aber leben erlebt, und in der erinnerung daran war auch dieser teil davon enthalten. am hilfreichsten schien mir, mir als beispiel für alle empfindungen und gefühle die liebe zu vergegenwärtigen. eine erkenntnis daraus war, daß weisheit und liebe gegensätze sind. gücklicherweise gibt es für hier mich weder leid noch freude, ich hätte sonst sicher davon abstand genommen, jemals wieder über ein gefühl nachzudenken, geschweige es denn ernst zu nehmen.
immerhin aber führte diese materilisation von liebe aus der anderen welt dazu, diese gedanken niederzuschreiben, zum zeitvertreib für die, die sie nicht langweilig finden.