Smaragde - Poesie
Seht nur, ihr Götter, wie es strömt
Aus der Scheide der ZEIT:
Alles Sein,
Mensch, Tier, Pflanze, Element.
In ewiger Parthenogenese
Gebiert SIE, was ist,
Gezeugt vom Weltgeist,
Ihrer eigenen Seele.
Wahrlich, ihr Unsterblichen,
die ZEIT und ihr Zwilling, der TOD,
sind eure grössten Werke!
(4.6.2024)
18.12. 2024
Das Alter
Le grand ennui avant la longue nuit
Wieder Weihnacht, wieder Geburtstag,
Sommerhitze, Winterkälte.
Wieder…
Wieder ein Morgen nach schlafloser Nacht.
Gebogen die Linie seines Lebens
Durch die Last der Jahre,
Diese ewig hungrige Masse,
Die Raum und Zeit krümmt.
Überall!
Die Linie wird zum Kreis
Sich schliessen.
Am Ende.
Er wird wieder sein,
Was er gewesen war:
Ein schwarzes Loch
In der Vulva der Welt.
25.10.2024
Gute Nacht!
Das Denken hat mich fertig gemacht,
Ich habe mich kaputt gedacht.
Das Sinnen ist ein endloser Schacht.
Gute Nacht!
25.7.2024
Ein Stelldichein
Ich hab´ ein Stelldichein,
Wir treffen uns bei mir,
wir beide, Ich und Ich,
wir beide ganz allein.
Ich mag mich,
und Ich auch mich.
Wir sind uns einig,
wir sind uns gut,
Nichts kann uns trennen,
Nicht Wasser noch Feuersglut.
Ich mag mich
und Ich auch mich.
Wir sind einander verbunden,
Verschmolzen, verinnerlicht,
Ich kann ohne Mich nicht leben,
Und ohne Ihn auch Ich nicht.
Ich mag mich,
und Ich auch mich.
Das ist des Lebens Sinn,
So sollte es immer sein:
Ein Stelldichein bei mir,
mit Mir und Mir allein.
9.5.2024
Heute
Scheintot unter Pygmäen,
so lebe ich dahin.
Geschrumpft und sprachlos.
3.12.2023
Alliteration
Nach dem Tod
Wir waren winzige Wichtigkeiten,
umwunden von Wünschen,
den Winden verwandt,
verweht im Vergessen.
22.8.2023
Tierisch I
Ich wär so gern ein Held,
Ein Hund, der beißt und bellt.
Bin aber bloss ein Maulheld,
ein Hund ohne Zähne, der boellt.
Tierisch II
Ich wär so gern eine Hummel, die summt,
Und bin doch nur ein Hammel, der brummt,
Ich wär so gern ein Bussard, der fliegt,
und bin doch nur ein Bastard, der lügt.
Ich wär so gern die Insel im Meer,
und bin doch nur Gerinnsel, fast leer.
2.6.2023
Zwei Haikus
Alte Augen
Das Weiß des Auges:
Trübes Gelb in Wasser.
Unterm Lid der Blick noch hell.
Stoa
Hoch weisser Himmel
Winde der Gedanken
Wasser der Seele tief
27.11.2021
Meine Gedanken
Sie hängen tot an Bäumen,
Verdorrt in den Schlingen der Zeit,
Gemacht aus Philosophie und Träumen,
Skelette im Sumpf der Ewigkeit.
8.7.2017
Madame la Mort
Geboren aus dem Nichts,
Tagein tagaus gevögelt
Von der unersättlichen Zeit,
Kommen wir nieder
Im Bett der alten Nutte,
Die es mit jedem treibt:
Madame la Mort.
4.5.2016
Ein schöner Tag im Mai
(Bukolisch)
Frische Luft und warme Sonne.
Draussen, im Wald.
Am Rand einer Lichtung zwei Nymphen,
Sie lachen,
Beim neckischen Spiel mit ihren Brüsten.
-
Über Blumenwiesen hinab ins Tal.
Meine alte Mutter wartet.
27.11.2010
Das Leben
Das Leben ist eine Sehnsucht, die zerbricht.
Die Liebe ist eine Sehnsucht ..
(Angeregt durch ein Gedicht von F. Pessoa)
11.8.2010
Ich bin
Ich bin
Im Kindbett des Todes
bin ich
der Albino unter Negern,
sentimental unter Gefühlstauben,
der Kuckuck im Nest kleiner Vögel.
2001
Kassandra
Mundschenk des Königs,
Ganz nah der Sonne!
Wie leuchten die Augen der Kinder,
Wie zärtlich umarmt dich dein Weib!
Weißt du nicht,
Dass noch in diesem Mond du endest,
Die Kehle aufgeschlitzt,
Zerrissen von den Hunden des Tyrannen?
20.6.1987 (Maria Laach)
Zwei Haikus
1
Das Huschen der Mönche
im Dämmer des Kreuzgangs.
Die Suppe duftet.
2
Birken im Regen
biegen die Stämme im Wind.
Wer hat da gelacht??
Senztenz
Wachsüberzogenes Schamhaar (gekräuselt):
Erinnerung der Zeit an eine feuchte Nonne.
Abschied von der Hand
Hand,
Schrecklichster Teil des Menschen!
Mir graut vor dir,
Maschine der Macher,
Werkzeug der Würger.
Und Wichser.
Die kleine Russin tanzte um ihr Leben und sang.
Du hast durchgezogen!
Eine junge Mutter gab sich verzweifelt hin,
In Vietnam, den Säugling neben sich.
Du hast ihr die Granate in die Scheide gehämmert!
- Ja, der Bauch blähte sich, bevor er platzte -
Du hast die Bombe ausgeklinkt in Japan!
Immer segnest Du die Mörder,
Verzeihst ihnen nach getanem Werk!
Du tötest wahllos,
Im Operationshandschuh und am Joystick.
Hand, wir brauchen dich nicht!
Nicht zum
Dichten und singen,
Essen und scheißen,
Malen und formen
Zählen und zeigen.
Nicht einmal zum Akt!
Uns reichen
Augen, Nase, Lippen, Bauch.
Beine zum Flüchten,
Zarte Haut und warmes Blut,
der Tau der Lust zwischen Schenkeln.
Hand, mir graut vor Dir!
Wir brauchen dich nicht!
- O Torso der alten Griechen -
Geh' zurück, wo du herkommst!
Geh' zu Gott, dem albernen Schaffer!
Adieu, Hand!!
21.6.1987 (Maria Laach)
1
Sonanzen des Sphärengongs,
Gepresst zum Schrei:
Sei!
2
Orgasmus Gottes in mir,
Lusttropfen des ewigen
Werde!
3
Der Mond, en face,
zwischen den Türmen,
und ewige Lichter auf dem Friedhof.
Im Herbstlaub unter alten Bäumen
scharrt mein Fuß.-
Winterkühle.
...
Wieder der Mond, hinter Wolkenflaum,
im Dunst über fernen Hügeln.
Die Mauer entlang, mein Schatten geknickt,
durch Tore.
Eine späte Kutte
trippelt den Pfad hinab um die Ecke. -
In der Stille nach dem Geläut
knarrt nur mein Schritt
im langen hohen Gang,
auf altem Gebälk.-
Die Zelle:
Einsamkeit, Wärme, Niesen.
12.11.1985
Mensch, pass auf!
Die Erde wird sich einst verweigern,
müde unserer menschlichen Stöße.
Und nach dem Verweigern
kommt das Verschlingen!
Mensch, pass auf!
Wenn ich mal weg bin
Wenn ich mal weg bin
Redet nicht von gutem Vater, guten Mann!
Mehr schlecht als recht habe ich meine Pflicht getan.
Das, was ich dafür hielt.
Aber jeden Kuss, den ich euch gab,
Gab ich von Herzen.
Und viele Küsse baten um Vergebung
Ohne dass ihr wusstet, warum.
Also, lasst das Gerede
Und denkt an mich,
Manchmal,
Wenn ihr die Sonne seht über grünem Gras.
17.9.1984
Das Spiel des Raumes
Der Kopf in den Händen am Küchentisch.
dann der rechte Arm
dann der Heizkörper
dann das Fenster
dann der Wall
dann der Parkplatz
dann die alte Post
dann die Sparkasse
dann die Poststraße
dann die Platanen
dann Spiegelhoffs Haus
dann Duponts Büdchen
dann Auto Beck
dann die Bahnlinie
dann die Schless-Villa
dann die Boxteler Bahn
dann Rensings Büschchen
dann der Sonsbecker Berg
dann Sonsbeck
dann Geldern
dann Straelen
dann Holland
dann das Meer
dann Amerika
dann der Mond
dann die Sonne
dann die Milchstraße
dann der Andromedanebel
dann die fernsten Galaxien
dann das Ende der Welt.
...
Die Domglocken,
Das Husten meines Sohnes im Schlafzimmer.
...
Der Kopf in den Händen am Küchentisch
dann der linke Arm
dann der Heizkörper
dann das Fenster
dann ...
17.9.84
Das Spiel der Zeit
es kam, es ging
ich kam, ich komme.
du kamst, wir gehen, er kommt, er kam, wir gingen.
sie kommt, wir kamen.
du gingst, er ging, ihr gingt.
sie ging.
ich ging.
ich gehe.
du gehst, er geht.
sie geht.
ihr geht.
sie kam.
ihr kamt.
sie kommen, sie kamen, sie gingen, sie gehen,
du kommst, ihr kommt, wir kommen.
es kommt, es geht.
3.9.1984
Ein Jahr nach dem Tod des Vaters
Du warst
der Dicke, der das Kamel füttert,
der Soldat im Schnee mit dem Lockenkind auf dem Arm,
der Kyriazi-Freres-Raucher,
der Annoncenschreiber, eine Frau zu finden,
das Ungeheuer, das
im Dämmerschlaf der Nacht dem Vierjährigen die Beine hinaufkroch,
der humorvolle Reimer auf der Hochzeit meiner Frau,
der flotte Student mit Käppi und Schärpe,
der krebszerfressene Alte eines allerletzten Sommers,
der Kommunionkind-Papi,
der Ein-Bier-ein-Schnaps-Papi,
der DKW-Opel-Citroen-Audi-BMW-Mercedes-Fahrer,
der Töter festtäglicher Karpfen durch Nackenschlag,
der weinselige Unterhalter alter Knoblauchweiber,
der trotzig-ernste Junge mit dem Tenorhorn,
der betrunkene Arzt, der
nächtliche Leiden linderte,
Kindsköpfe aus Mutterschößen freigrub,
Bauchdecken mit fahrigen Fingern vernähte,
-belohnt eines morgens mit gelähmten Seite
der Bauherr von Häusern mit luftigen Treppen,
die junge Glatze an griechischen Stränden,
der Karl-May-Leser und Kreuzworträtsellöser,
der Zauberer,der Geld machen konnte,
der Heimlichtuer in nachmittäglichen Schlafzimmern,
der Klavierspieler, daß die Bude wackelte,
der hastige Zerrupfer weihnachtlichen Gänsebratens,
der Freund tartarschlingender Archäologen,
der nackte Schwimmer im Rhein,
der triste Urlauber auf dem Weg zum Bahnhof
-Plastiktüte,Handkoffer,Hut und Mantel
früh an einem Sommermorgen,
der gestürzte Jäger flinker Diebe,
der Schlauchspritzer,
der fahle Totenschädel, den ich als letztes von dir sah,
der Fummler,
der Schütze der 3. Kompanie,
der Mittagsschläfer mit steif erhobenem Arm,
der glucksende Erzähler schlüpfriger Witze,
der liebevolle Opa, der
seinen Enkel mit der pflastergeklebten Brille verblüffte,
der Gatte einer schwierigen Frau,
der lebenslange Duckmäuser und Mitläufer,
der am Ende tapfere und weise Mann,
der Mann, der
auf der Kellertreppe des Zwitscherstüberls
tot niedersackte.
7.5.1984
Wenn es ans Gehen geht
Wenn es ans Gehen geht
Vergehen auch alle Ängste.
Wenn es zum Gehen kommt
Sind Freud und Leid wie eins.
Wenn das Verlangen langt
Gelangst du zum Gelingen.
Wenn der Klang verklingt
Ist Stille süßes Singen.
Wenn deine Schwünge schwanken
Wird Nichts zur Schwangerschaft.
Wenn die Gedanken sinken
Wird Dunkel hell wie Licht.
17.11.1982 (Oeventrop)
Drei Haikus
1
Jemand hat Laub zwischen
die kahlen Bäume geschüttet.
Es war hübscher so.
2
Die Buchen im Nebel.
In der Pfütze fahles Licht.
War das ein Vogel dort?
3
Der grüne Grasfleck,
zwischen den Tannen.
Ich schaute ihn genau an.
28.1.1978
Dort,
wo die Nacht schläft,
wo die Sonne sich wärmt,
wo der Tod Privatmann ist,
wo das Leben sich abschminkt:
dort sucht mein Herz die Liebe.
9.8.1979
Musik
Musik, ich verdanke dir so viel...
Meine Seele, dass sie nicht wie
Herbstlaub vorzeitig
Vom Baum meines Lebens fiel.
17.7.1977
Dies wächserne Herz
Dies wächserne Herz,
Aus der Seele der Ewigkeit in die Zeit geblasen
Hat Mühe, seine Form zu wahren
in der Wärme deiner Nähe.
Musik ist in mir,
Die nach außen dehnt
Wie der Dampf heißer Erdwässer.
Der weiche Teppich der Liebe
Hat mich umsponnen, tränenfeucht
Von Leid und Glück.
Das Leben ist nicht Baum mehr,
Noch Ei, noch Wein, noch Brust.
Violetter Dunst ist dort, wo ich war,
Und durch mich sieht man die Kette blauer Berge
Am Nachmittag dieses Seins,
Am Grenzkreis des Menschen Ich. -
Ein Tropfen göttlicher Harmonie
Ist im Plan des geringsten Geschöpfes.
Ein Tropfen Liebe im Blut
Lässt Engelsflügel wachsen.
Mai 1977
Ein Beben wellte die ebene Seele
Ein Beben wellte die ebene Seele,
Zurück blieben tiefe Risse.
Daraus quollen heiße Tränen.
Der Wind des Lebens kühlte sie rasch
Die Lava erstarrt zu Falte und Tal.
Die Vollendung des inneren Antlitzes
Kündet baldigen Tod.
Mai 1977
Die Großmutter
Sie sitzt im Licht der sinkenden Sonne,
Der Teppich der Zeit franst aus.
Die Haare im grauen Gestern verflochten,
Die Augen wissen kein Morgen mehr.
Der Bauch, der so oft Leben trug,
Tropft stetig ins Nichts der Gegenwart.
Und ewig drehen sich die
Daumen über gefalteten Händen.
Ein Hauch von Wärme aus uralten Zeiten
Ist der Rest des Atems,
der erste Liebe mir ins Herz blies.